Schneegestöber 2 2022/23


 SCHWACHSCHICHTENENTWICKLUNG 

Wechselhafter Winter, Wechselhafte Lawinenprobleme


Aufgrund des turbulenten Wetters, der gering mächtige Schneedecke und den schwankenden Temperaturen wechseln wir von einem Lawinenproblem zum nächsten. Angefangen mit einem frühwinterlichen Altschneeproblem bis hin zu Gm4, Wildschnee als Schwachschicht und einem sehr störanfälligen Triebschneeproblem.



Endlich ist der Winter so wie er gehört: Kalt und mit Neuschnee. In Tirol sind Skitouren im Gelände nun vielerorts machbar. In tieferen Lagen schaut es dieses Jahr aber noch mager aus, dort ist höchstens der Aufstieg mit den Ski möglich, zum Abfahren reicht es weitgehend noch nicht. In Waldschneisen und windgeschützten Bereichen oberhalb der Waldgrenze konnte man in den letzten Tagen tollen Pulver fahren, auf Sharks muss man aber noch etwas achtgeben.



 Die Entwicklung: 


 1:  Altschneeproblem bei schlechter Schneelage

Ein frühwinterliches Altschneeproblem führte um die Weihnachtsfeiertage zu einer Lawinenreichen Zeit. Vor allem dort, wo sich vor Ende November eine geschlossene Schneedecke befand, wurde der Schnee aufbauend umgewandelt und locker (siehe Gestöber 1). Als primäre Schwachschicht fungierte ein Fundament aus kantigen Kristallen und Tiefenreif, aber auch umgewandelte Schichten, die sich rund um Krusten gebildet haben, konnten gestört werden. 


Frühwinterliches Altschneeproblem. Profil vom 26.12.22, NO, 2595m



auf einer der wenigen mögliches Skitouren im Selltraintal,
wurde auch vor der Weihnachtszeit eine Lawinenausgelöst




Vor der Weihnachtszeit waren Skitouren abseits der Pisten großteils nicht sinnvoll möglich. Auch befand sich noch kein passendes Brett über den lockeren Schichten, mitunter ein Grund, warum die Lawinenaktivität erst um den 23.12. anfing. An diesem Tag stiegen die Temperaturen mit Einsetzen des Niederschlages an und der Schneefall ging in Schneeregen oder Regen über. Am 25.12. folgte ein weiterer Temperatursprung in die Höhe - ein zusätzlicher Indikator für die Ausprägung eines Brettes (gebundener Schnee) und förderlich für die Lawinenaktivität.


Feuchter und gebundener Schnee 23.12.22





Die Lawinen, die im Sellraintal durch Wintersportler:innen ausgelöst wurden, hielten sich in Grenzen. Betrachtet man es aber im Verhältnis zu den dort überhaupt möglichen Touren, liegt der Schnitt echt hoch. (Lawinen wurden ausgelöst an: Lampsenspitze, Pirchkogel, Rietzer Grieskogel, Praxmarer Grieskogel, Schöntal, Grieskogelscharte 2x, Zischgeles,....).


Lawine ausgelöst durch Wintersportler am 28.12.22, Praxmarer Grieskogel


Es können leider viele mit dem Begriff "Altschneeproblem" wenig anfangen und wissen auch nicht, wie man es handhaben sollte. Zudem wird nach wie vor mehr auf die Gefahrenstufe geachtet, anstatt auf das Lawinenproblem und die Gefahrenmuster. Auch sind viele noch im Glauben, dass wenig Schnee sicherer sei wie viel Schnee. Dazu eine oft gehörte Aussage: „Es liegt fast kein Schnee, da kann keine Lawine abgehen“. Ein Irrglaube, der noch immer in vielen Köpfen verankert ist. Gerade Winter mit wenig Schnee sind Lawinenreich!




 2:  Weihnachtstauwetter und Durchfeuchtung


Ende Dezember bis Anfang Jänner stiegen die Temperaturen nochmals richtig in die Höhe. Am Silvestertag wurden mancherorts sogar Rekorde verbucht. Durch die Durchfeuchtung und die milden Temperaturen konnte sich das Altschneeproblem etwas verfestigen. Was aber nicht heißt, dass es kein Problem mehr darstellt und man bei einem 2er alles gehen kann! Ein Altschneeproblem bleibt tückisch, bis sich die Schwachschicht verfestigt hat. Es verändert sich lediglich das Verhältnis von Schwachschicht und Brett und die Auslösestellen (Hotspots) nehmen etwas ab. Erwischt man aber einen solchen Hotspot, können Lawinen auch größer werden, da Brüche in bodennahen Schwachschichten initiiert werden können.

Gerade an schneearmen Stellen sind bodennahe Schwachschichten leichter störbar, es besteht somit auch ein GM7 (schneereich neben schneearm). Zusätzlich sind viele Hänge noch unberührt und Schwachschichten flächig vorhanden, da sie nicht durch die sonst oft vielen Befahrungen zerstört wurden.

Die weihnachtliche Durchfeuchtung und die darauf folgende Erwärmung wirkten sich negativ und positiv auf die Schneedecke aus:

  Negativ: Ausprägung des Brettes, wodurch alle Zutaten für die Lawinenabgänge gegeben waren.

  Positiv: Festigung der schwachen Schichten und der Störanfälligkeit des Altschneeproblems

 3  Negativ: Bildung neuer Schwachschichten (Gm4)





 3:  Krustensandwich

Wie wir wissen, sind Temperaturschwankungen in der Schneedecke nicht förderlich für dessen Verfestigung, denn sie sind der Startschuss für die aufbauende Umwandlung. Vor dem Einsetzen des Niederschlags am 23.12. war die Schneeoberfläche sehr kalt und bestand oft aus lockeren Kristallen und Oberflächenreif. Durch den Niederschlag lagerten sich wärmere und feuchtere Schichten auf der kalten Oberfläche ab, dies führte zu einem großen Temperaturgradienten im Grenzbereich der alten Schneeoberfläche zum Neuschnee. Zusätzlich führte der Feuchtigkeitseintrag zur Bildung einer Schmelzkurste. Darüber und darunte konnten sich neue Schwachschichten aus kantigen Kristallen entwickeln. Bei Schneedeckenuntersuchungen konnten vermehrt Teilbrüche erzeugt werden, die Bruchausbreitung war zu diesem Zeitpunkt also nicht besonders gut.






 4:  Neuschnee und neue Schwachschichten

Ab den 4.1. bzw. den 9.1.23 schneite es aus verschiedenen Frontensystemen, meist begleitet von Wind. Es entstanden hauptsächlich oberhalb der Waldgrenze sehr störanfällige Triebschneepakete, die auf lockeren Schichten zu liegen kamen.

stürmisch am 16.01.23



Auch Wildschnee fiel bei den frostigen Temperaturen in windstillen Phasen vom Himmel. Wildschnee ist auch bekannt als „Champagne Powder“ und macht Riesenspaß beim Skifahren. Da staubt es so richtig!  Wird er aber von gebundenen Neuschnee oder Triebschnee überlagert, stellt er eine sehr störanfällige Schwachschicht dar.

große Dendriten - Wildschnee



Zudem kann der lockere, bindungslose Schnee bereits bei einer Windstärke von nur 15 km/h verfrachtet und als sehr spröder und störanfälliger Triebschnee abgelagert werden. Diese Lawinenprobleme und Gefahrenmuster führten zu weiteren Lawinenabgängen durch Wintersportler.





Der Winter bleibt spannend!




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