Schneegestöber 6 2020/21

Mechanische Umwandlung

Wie wird der Schnee zum Triebschnee?



Neben der aufbauenden und der abbauenden Umwandlung, die im SchneeGestöber bereits öfter besprochen wurden, gibt es noch die mechanische Umwandlung. Heute fragen wir uns: Was passiert mit Schneekristallen bei der mechanischen Umwandlung? Was hat die Bildung von Triebschnee damit zu tun und wie entsteht dieser eigentlich? 


Vorweg möchte ich kurz auf den Unterschied zwischen der abbauenden und der mechanischen Umwandlung eingehen. In beiden Fällen werden die Kristalle kleiner, rücken näher zueinander und es entsteht eine gebundene Schneeschicht. Der Vorgang bis dorthin ist allerdings ein anderer: Die abbauende sowie die aufbauende Umwandlung spielen sich innerhalb der Schneedecke ab. Wir sprechen also über die Kristalle die bereits am Boden liegen. Die Umwandlungsprozesse sind abhängig von Temperatur, Wasserdampf, Druck, usw. Eine genaue Beschreibung zur abbauenden -& aufbauenden Metamorphose findet ihr im Schneegestöber Nr. 6 2019/20. 
Die mechanische Umwandlung hingegen passiert auf äußere Einflüsse, vor allem durch Wind. Es ist kein Metamorphoseprozess wie die beiden anderen, sondern eher eine „Zerstörung“ der Schneekristalle. 


Schneit es komplett windstill, fallen die Schneekristalle in Ihrer ursprünglich, dendritischen Form (sechseckig) vom Himmel und beginnen sich erst zu verwandeln, wenn sie am Boden angekommen sind. Wenn es hingegen bei Windeinfluss schneit, werden die Schneekristalle durch den Wind bereits in der Luft rumgewirbelt. Dadurch stoßen sie gegeneinander, verästeln sich und werden wieder auseinander gerissen. Kleine Verästelungen brechen ab. Dies kann auch passieren wenn sie gegen ein hartes Hindernis prallen. Während der Schneekristall herumwirbelt, wird dieser Vorgang des Öfteren wiederholt, wodurch der Kristall weiter zerstört wird und eine immer kleinere und rundere Form annimmt. Schlussendlich kommen die Kristalle als eine Mischung von runden Körnern, kleinen und größeren Stiften (Filz) am Boden bzw. der Schneeoberfläche zu liegen. 

Die nun kleine und rundliche Form der Kristalle lässt zu, dass sie nah zueinander rücken können und sich daher gut miteinander verbinden. Es entsteht eine gebundene Schneeschicht, die stark auf Belastung reagiert und sehr gut als „das Brett“ einer Lawine agiert. 


Im Vordergrund sieht man Windgangeln. Eine Erosionsform an der Schneeoberfläche. Ein Zeichen dass der Wind von rechts kahm den die steile, erodierte Seite zeigt gegen den Wind (Luv). Im Hintergrund sieht man Winddünen, eine Ablagerungsform von Schneeverfrachtungen (Triebschnee). 



Die mechanische Umwandlung und die Bildung von Triebschnee finden allerdings nicht nur in der Luft statt wenn es gerade schneit. Auch eine bereits vorhandene, weiche Schneeoberfläche kann durch den Wind verfrachtet werden. Während das geschieht, werden die Kristalle durch die mechanische Umwandlung auf ähnliche Weise zerstört. 

Die Kristalle werden durch den Wind von der Schneeoberfläche angehoben bzw. in die Luft geschleudert. Dort prallen sie mehrmals gegeneinander, wodurch sie zerstört werden und brechen. Irgendwann kommen sie auf der windberuhigten Seite (Lee) zu liegen, sowie in Rinnen und Mulden. Es entsteht wieder frischer Triebschnee. 

Der Unterschied ist, dass die Kristalle an der Schneeoberfläche bereits mehrere Umwandlungsformen der ab- & aufbauenden Metamorphose durchlebt haben können. Die Kristalle haben deshalb nicht nur die Form eines sechseckigen Schneesternes, wie bei Neuschnee. Sie können auch aus kantigen Kristallen, filzigem Schnee (Stifte, Äste), usw. bestehen. Hier gilt: je weicher die Schneeoberfläche ist, umso leichter wird sie durch den Wind weg getragen. 

Triebschnee ist also ein Produkt der mechanischen Umwandlung und durch äußere Einflüsse geprägt, vor allem den Wind. Triebschnee besteht aus überwiegend runden Körnern sowie Ästen und Stiften. Es entsteht immer eine gebundene Schneeschicht, wodurch eine wichtige Zutat für eine Lawine - „das Brett“- gegeben ist. Zusätzlich braucht es aber noch eine Schwachschicht. Diese ist bei der Bildung von Triebschnee so gut wie immer vorhanden und besteht beispielsweise aus lockeren Neuschneekristallen, die ohne Windeinfluss gefallen sind. Auch Oberflächenreif, kantige Kristalle, oder eine Schicht in der Altschneedecke können natürlich als Schwachschicht fungieren. 


Als Beispiel: Angenommen wir haben eine kompakte und stabile Altschneedecke. Es fängt an, ohne Wind zu schneien. Schöne, dendritische Schneekristalle bilden eine neue Schicht an der Schneeoberfläche. Mit der Zeit lebt der Wind immer mehr auf und bläst mit mittlerer Geschwindigkeit über Verfrachtungsstärke (mäßiger Wind 20-28km/h; frischer Wind 29-38km/h). Die mechanische Umwandlung findet nun zum einen durch den noch fallenden Neuschnee statt und zum anderen in die lockeren Schneekristalle am Boden, die vorher windstill gefallen sind und nun aufgewirbelt werden. Das Resultat ist eine meist flächig vorhandene Schwachschicht aus großen, lockeren Neuschneeschneekristallen, die untereinander schlecht verbunden sind, überdeckt von einer gebundenen Trieb- oder Neuschneeschicht. Somit sind bereits zwei Zutaten für eine Lawine vorhanden: die Schwachschicht überlagert von einem Brett (gebundene Schneeschicht). Wenn dann noch die Hangneigung ausreichend steil ist und ein Bruch in der Schwachschicht initiiert werden kann, ist ein etwaiger Lawinenabgang sehr wahrscheinlich. 


Stark windbeeinflusste Schneedecke



Eigenschaften und Wissenswertes über Triebschnee: 


  • Wie bereits erwähnt besteht Treibschnee aus einer gebundenen Schneeschicht, welche leicht störbar ist und gut Spannung übertragen kann. Gebundener Schnee bedeutet aber nicht, dass die Schneeschicht kompakt ist! Er kann sich durchaus nach Powder - Vergnügen anfühlen, denn auch Pulverschnee kann gebunden sein! 

  • Weiteres gilt: je kälter und trockener der Schnee, umso spröder ist er. Das Material kann dann wie ein fester Körper angesehen werden, den man brechen kann. Das Brechen der Kristalle ist sogar hörbar als Knirschen und Knaxen. Je spröder die Kristalle sind, umso leichter brechen sie und umso empfindlicher reagieren sie auf Belastung etwa durch Wintersportler. 
    • Wenn die Schneetemperatur nahe am Schmelzpunkt (0°) ist, wird der Schnee plastischer. Ein Triebschneeproblem verliert dann an Relevanz. Der Schnee lässt sich „dehnen“, verformen, wird biegsam, ohne dass dabei die Kristalle brechen. Dieser Effekt ist gut zu beobachten, wenn der Schnee beispielsweise von einem Dach gebogen herunter hängt und einfach nicht brechen will. Hier spricht man auch von kriechen. Beides zählt man zu den mechanischen Eigenschaften von Schnee. 
Plastischer Schnee


  • Das Gefahrenmuster Gm6 – lockerer Schnee und Wind (Triebschnee) ist meist nur für eine kurze Zeit vorhanden. Die Dauer ist abhängig von Temperatur und Setzung. Mit einer Ausnahme: Wenn eine Schneeoberfläche aus lockeren kantigen Kristallen -ein Resultat der aufbauend Umwandung- verfrachten wird. In diesem Fall bilden sich harte und spröde Triebschneeschichten, die über eine längere Zeit gestört werden können. 

  • Triebschnee kann bereits bei einer Windgeschwindigkeit von 15km/h gebildet werden. Die Schneeverfrachtung nimmt mit steigender Windgeschwindigkeit stark zu. 

  • Triebschnee kann im Vergleich zu anderen Gefahrenmustern im Gelände durch Windzeichen wie Windgangeln, Dünen, Fahnen, Anraum usw. gut erkannt werden, außer er wird von Neuschnee überlagert. 


2 Kommentare: